Pakistan 2006: Der alte Mann steht im stillen Gebet vor den elf Grabsteinen, die alle das selbe Datum tragen: 8. Oktober 2005. Das war der Tag, an dem die Apokalypse über das Bergland im Nordosten von Pakistan kam. 80 000 Menschen starben bei dem verheerenden Erdbeben – auch die gesamte Familie von Muhammad Khan.
Ein Jahr danach klettert Gudrun Bauer mit einem Team der Welthungerhilfe auf beschwerlichen Pfaden durch das Katastrophengebiet. Die idyllische Gebirgslandschaft verbirgt ein Desaster: jede Lichtung ein Ruinenfeld, jedes Dorf ein Massengrab; überall verstörte, verzweifelte Obdachlose – wie Muhammad Khan.
Die Welthungerhilfe baut Notunterkünfte, liefert Lebensmittel. Und sie errichtet – dank der finanziellen Unterstützung von Gudrun Bauer – ein psychosoziales Zentrum in der Provinzstadt Bagh. Unter Leitung der Initiatorin, der charismatischen Psychologin Naima Hassan, werden dort ab 2006 schwer traumatisierte Erdbebenopfer behandelt. Doch der Plan, das Projekt nach vier Jahren in pakistanische Hände zu legen, scheitert leider an der fehlenden Unterstützung der lokalen Behörden. Deshalb muss die Einrichtung 2010 geschlossen werden. Immerhin war zu diesem Zeitpunkt bereits Zehntausenden – vor allem Frauen und Kindern – geholfen worden, ihre seelischen Verletzungen zu überwinden.
(Text: Herbert Kistler)